Als es darauf ankam, waren wir da.

Als es darauf ankam, waren wir da.

Gestern ist Dieter nach einer schweren Krankheit friedlich eingeschlafen.
Schon am Freitag hatten Elena und ich geahnt, dass es vielleicht seine letzte Nacht sein könnte.
An diesem Abend blieben wir bis spät bei ihm, redeten noch lange, hielten seine Hand, streichelten ihn.
Ob er das noch wahrgenommen hat, wissen wir nicht – aber wir wollten, dass er spürt, dass er nicht allein ist.

Am Samstag, bevor ich eigentlich zu meiner Wasseraktion in die Innenstadt starten wollte, bin ich noch einmal zu ihm in die Klinik gefahren.
Elena – die Sozialarbeiterin in der Unterkunft für Wohnungslose, in der Dieter fast vier Jahre gewohnt hat – war gerade mit einem Notfall beschäftigt, und sonst wäre niemand bei ihm gewesen.
Als ich ins Zimmer kam, hatte er die Augen ein wenig geöffnet – zum ersten Mal seit einem ganzen Tag, wie mir die Schwester erzählte.
Er wirkte unruhig, wollte etwas sagen, aber die Kraft reichte nicht mehr.
Eine Krankenschwester gab ihm dann Medikamente, die ihm Erleichterung verschaffen sollten.

Ich setzte mich zu ihm, erzählte, dass Gaby – meine Schwester und zweite Vorsitzende unseres Vereins Aus der Not Darmstadt e. V. – Elena und ich uns um alles kümmern würden, was ihm noch auf dem Herzen lag.
Und ich erinnerte ihn daran, was Elena ihm so oft gesagt hatte – dass seine geliebte Hündin Mia schon vor dem Tor auf ihn wartet, um gemeinsam mit ihm hindurchzugehen.
Während ich sprach, strich ich ihm immer wieder über die Stirn, kraulte sanft seinen Kopf.
So saßen wir eine Weile, bis ich bemerkte, dass die Ärztin hinter mir Platz genommen hatte.

Sie fragte leise, ob es für mich in Ordnung sei, zu bleiben – und in diesem Moment war mir klar, dass ich ihn nicht allein lassen würde.
Dieter hatte in den letzten Jahren oft genug einsame Stunden erlebt.
Jetzt sollte er in seinen letzten Momenten nicht auch noch ohne Begleitung sein.

Ich sagte ihm immer wieder, dass er geliebt wird, dass er loslassen darf.
Sein Atem wurde ruhiger, die Anspannung wich aus seinem Gesicht.
Und irgendwann stand die Ärztin auf, beugte sich zu ihm – und nickte mir zu.
Er war auf dem Weg zu seiner Mia.

Was uns – Gaby, Elena und mir – bleibt, sind die letzten schönen Tage, die wir mit ihm verbringen durften.
Wir waren viel draußen in der Sonne, haben gelacht, ihm zugehört, wenn er von den Dingen sprach, die ihm noch wichtig waren.
Wir haben ihn verwöhnt mit kleinen Lieblingsspeisen, Muffins, Cola und vielem mehr.

Unser Verein Aus der Not Darmstadt e. V. hat in dieser Zeit dafür gesorgt, dass es ihm an nichts fehlte.
Denn leider hatte er am Ende weder Geld noch Kleidung – und nicht einmal die Möglichkeit, seinen Freund Ali anzurufen, weil ihm sogar das Handy fehlte.
Für diese Situation konnte Dieter nichts, sie war nicht von ihm selbst verschuldet.
Wie es dazu kam, möchte ich hier nicht weiter ausführen – nur so viel: In solchen Momenten sollte Unterstützung da sein, nicht zusätzliche Belastung.
Umso wichtiger war es uns, dass er sich in seinen letzten Tagen gut versorgt und umsorgt fühlen konnte.

Wir sind dankbar, dass wir ihn begleiten durften – und dass er bis zuletzt Menschen um sich hatte, denen er wichtig war.

Ruhe in Frieden, lieber Dieter.
Jetzt geht es dir besser – und wir werden dich sehr vermissen.

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