Da sitzt die 69 jährige Rentnerin im Schlafanzug am Hauptbahnhof
Schon seit zweieinhalb Jahren lebt die 69-jährige Rentnerin am Hauptbahnhof in Darmstadt.
Auf meinen täglichen Touren habe ich sie immer besucht. Ich frage dann, was sie gerade braucht, tausche ihre leeren Gaskartuschen für den Campingkocher aus und bringe ihr neue Konserven, Kaffee oder Tee zum Aufbrühen.
Vor einiger Zeit ging es ihr immer schlechter. Trotzdem wollte sie nicht in die Klinik – bis es irgendwann gar nicht mehr anders ging.
Sie musste schließlich mit dem Rettungswagen abgeholt werden.
Die Diagnose: eine schwere Lungenentzündung und eine schlimme Wundinfektion am Bein.
Bei einem unserer Gespräche hatte sie mir einmal erzählt, dass sie schon früher im Krankenhaus war – und dort die ganze Zeit nur ein offenes Hemdchen tragen musste.
Sie hatte keine eigene Unterwäsche, keinen Schlafanzug, keine Hygieneartikel – und auch keine kleinen „Goodies“, also Dinge, die einem den Krankenhausaufenthalt etwas leichter machen: einen Saft, ein paar Kekse, etwas, das einfach guttut.
Es war ihr furchtbar unangenehm, so vor allen gesehen zu werden und wegen jeder Kleinigkeit fragen zu müssen. Dieses Gespräch ging mir lange nicht aus dem Kopf.
Also bin ich einkaufen gefahren: Unterwäsche, ein paar Shirts und Socken – alles, was sie gebraucht hätte, wenn sie sich etwas hätte wünschen dürfen. Den Rest hatte ich glücklicherweise noch zuhause.
Ich habe sie dann in der Klinik besucht und ihr all das gebracht, was ihr beim letzten Mal so gefehlt hatte.
Weil sie wegen der Infektion sehr geschwächt war und man jedes Risiko vermeiden wollte, musste sie vorsorglich isoliert werden. Auch ich musste Schutzkleidung tragen – einfach, um sie zu schützen und sicherzugehen, dass sich niemand gegenseitig ansteckt.
Ich blieb fast drei Stunden bei ihr – wir haben die Zeit richtig genossen, auch wenn ich in der Schutzkleidung fast geschmolzen bin. 😊
Nach sechs Tagen wurde sie entlassen – und musste wieder zurück auf die Straße.
Ihre Kleidung, mit der sie eingeliefert worden war, gab es nicht mehr.
So stand sie da – nur im Schlafanzug und einer dünnen Jacke.
Zum Glück habe ich immer ein paar Dinge für Notfälle im Auto: Ich konnte ihr eine warme Jacke und gestrickte Socken geben.
Im Moment hat sie wieder alles, was sie zum Leben auf der Straße dringend braucht – vor allem einen richtig warmen Schlafsack.
Ich versuche jetzt, für sie einen Platz in einer Unterkunft zu finden, damit sie sich erholen kann.
Außerdem bin ich gerade auf der Suche nach einem stabileren Rollator, auf dem sie auch einmal sitzen kann, denn der, den sie im Moment geliehen hat, ist sehr wackelig und auch für längere Strecken einfach nicht geeignet.




